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Unsere Sicht auf junge Menschen in Österreich

 

Kinder und Jugendliche sind der größte Reichtum einer Gesellschaft. Sie sind nicht nur ihre Zukunft, sondern ihre Gegenwart. Als Christen sehen wir junge Menschen als kostbaren Schatz, den Gott uns anvertraut. Jugend bezeichnet die Lebensphase des Wachsens und Lernens vom Kind zum reifen und selbstständigen erwachsenen Menschen. Diese Entwicklung auf ein bestimmtes Alter festzulegen, ist schwierig. Der Trend geht hin zu einer Ausweitung der Jugendphase, weil Ausbildungen länger dauern und die Familiengründung meist später erfolgt.

Der gegenwärtige Wandel ist durch eine Individualisierung der Lebensführung und eine Pluralisierung der Lebenslagen gekennzeichnet. Der Mensch muss sich „als Planungsbüro in Bezug auf seinen eigenen Lebenslauf, Fähigkeiten, Orientierung, Partnerschaften usw. (...) begreifen“6 und seine sozialen Netzwerke selbst herstellen. Die heutigen Zeiten erfordern mehr Selbstmanagement denn je, weil einerseits die Freiheitsgrade steigen und andererseits die Risiken vom Einzelnen zu tragen sind. 

Als „pragmatische Generation im Aufbruch“ beschreibt die Shell Jugendstudie 2015 junge Menschen7. Sie wünschen sich Sicherheit, positive soziale Beziehungen und einen Beruf mit gesellschaftlichem Nutzen. Freundschaft, Partnerschaft und Familie sind für sie weiterhin die wichtigsten Werte.

Folgende exemplarische Lebenswelten und Herausforderungen junger Menschen sind aus unserer Sicht besonders bemerkenswert:

2.1. Familie als Rückhalt

Wie die Shell Jugendstudie 2015 bestätigt, hat die Familie für junge Menschen auch heute einen hohen Stellenwert.8 Familie ist der Ort, an dem die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen den notwendigen Rückhalt und eine positive emotionale Unterstützung auf dem Weg ins Erwachsenenleben erfährt. Sie ist der soziale Raum, der Geborgenheit und Sicherheit ermöglicht. Ein Teil der jungen Menschen leidet jedoch unter den schwierigen Beziehungsverhältnissen in ihrem familiären Umfeld.

2.2. Erwachsen werden

Nicht nur der eigene Körper verändert sich, Jugendliche hinterfragen auch bestehende Beziehungsstrukturen und erproben ihre eigene Rolle. Sie suchen nach Gruppen und Gemeinschaften, die ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl geben. Manche Jugendliche fühlen sich allein gelassen, Mobbing und Ausgrenzung sind ernst zu nehmende Gefahren im Jugendalter. Zugleich wächst die Verantwortung. Entscheidungen über den persönlichen Ausbildungsweg stehen an und erste Liebesbeziehungen rücken in den Fokus. Mit 16 Jahren dürfen sich Jugendliche zum ersten Mal an politischen Wahlen beteiligen.

Inmitten einer Leistungsgesellschaft und der Schnelllebigkeit unserer Zeit fühlen sich nicht wenige junge Menschen überfordert. Diesen Stress kompensieren Jugendliche mitunter durch maßlosen Alkohol- und Tabakkonsum oder durch Experimentieren mit anderen Drogen, von denen sie zum Teil nicht mehr loskommen. Besorgniserregend ist die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen schon im frühen Kindes- und Jugendalter.

2.3. Ausbildung und Berufseinstieg

Die Anforderungen der Arbeitswelt an junge Menschen sind hoch und neben fachlichen Qualifikationen sind auch Sozialkompetenzen gefragt. Ein Teil der jungen Menschen absolviert mehrere Ausbildungen, um die eigenen Berufschancen zu erhöhen. Es wächst aber auch die Zahl jener, die durch das System fallen, wenig Motivation für Schule und Ausbildung aufbringen und denen es an externer Unterstützung mangelt. Der Übergang von der Schule in den Beruf ist oftmals schwierig und gelingt nicht immer beim ersten Versuch. Dies zeigt sich auch am Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit.

2.4. Freizeit und ihre vielen Möglichkeiten

Die Freizeit hat im Alltag junger Menschen einen großen Stellenwert. Sie verbringen diese Zeit gerne mit ihrem Freundeskreis. Beliebte Freizeitaktivitäten sind Sport und Musik, die auch gute Lernorte für Sozialkompetenzen sind. Aufgrund fehlender finanzieller, zeitlicher oder sozialer Ressourcen haben nicht wenige Kinder- und Jugendliche nur eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten.

2.5. Digitalisierung der Lebenswelt

Eine alles durchdringende Realität im Leben junger Menschen ist das Internet mit seinen neuen Kommunikationsformen und einer kaum zu verarbeitenden Informationsflut. Einerseits verlieren bei Kindern und Jugendlichen klassische Medienkanäle wie Zeitung und Fernsehen stark an Bedeutung, andererseits sind viele von ihnen „immer online“ und nützen verschiedene Plattformen9. Der virtuelle Raum des Internets hat die Kommunikation massiv verändert und birgt neben Chancen auch manche Risiken.

2.6. Mobilität, Migration und Flucht 

Vereinfachte Mobilität, der gemeinsame Wirtschaftsraum in Europa und die fortschreitende Globalisierung geben vielen Jugendlichen die Möglichkeit, 

andere Länder zu bereisen und eine kulturelle Vielfalt kennenzulernen. Diese Erfahrungen erweitern die eigene Sichtweise und fördern wechselseitiges Verständnis. Junge Menschen aus Ländern mit eingeschränkten Lebenschancen kommen nach Österreich, um hier zu studieren und zu arbeiten. Ein weiterer Aspekt ist die Flucht wegen Krieg oder die Migration aufgrund von Perspektivlosigkeit in der Heimat. Deutlich ist, dass durch Konflikte, Naturereignisse oder Armut bedingte Krisen globale Bedeutung haben. Österreich ist eines der Zielländer für diese Menschen, unter denen unbegleitete Jugendliche die verwundbarste Gruppe sind. Ohne soziales Netz lastet ein großer Druck auf ihnen, an dem nicht wenige scheitern. Zugleich fällt es geflüchteten Kindern und Jugendlichen meist leicht, die Sprache zu lernen und Schritte der Integration zu gehen.

2.7. Gesellschaftliches Engagement

Junge Menschen engagieren sich vielfach im sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Sie bevorzugen vorwiegend Aktivitäten mit zeitlich begrenztem Projektcharakter gegenüber längerfristigen Verpflichtungen. Eine besonders hohe Sensibilität haben sie für Menschenrechte, Umweltschutz und Gleichberechtigung, sehen etablierte politische Parteien und Institutionen aber oftmals kritisch.

2.8. Suche nach Sinn

Jugendliche hinterfragen die von ihren Bezugspersonen tradierten Werte und Einstellungen und suchen nach eigenen Antworten auf die großen Fragen des Lebens. Spiritualität und Religiosität sind im gesellschaftlichen Diskurs weiterhin ein Thema, wobei die religiöse Landschaft pluraler geworden ist. Nur bedingt finden Jugendliche Antworten im christlichen Glauben. Die Institution Kirche ist für viele wenig relevant. Jugendliche, die sich selbst religiös verstehen und denen Glaube etwas bedeutet, müssen sich oftmals vor anderen rechtfertigen und es bedarf einer bewussten Entscheidung.

 

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6 Vgl. U. Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a. M. 1986, S. 217.

7 Deutsche Shell Holding GmbH Hamburg (Hrsg.), Jugend 2015. 17. Shell Jugendstudie, 

8 Vgl. ebd., S. 15.

9 Vgl. A. Berg, Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt. Bitkom-Studie, Berlin 2017.

 

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